WELT-Gastbeitrag: Europa braucht eine gemeinsame Entwicklungsbank
Die europäische Entwicklungspolitik gleicht einem unübersichtlichen Flickenteppich. Das geht auf Kosten von Effizienz und Soft Power. Es braucht daher einen echten Strukturwandel in der europäischen Entwicklungspolitik.
Der Kontrast könnte unterschiedlicher kaum sein: Während westliche Industrienationen im Eiltempo Rettungspakete in unvorstellbarer Höhe zum Schutz ihrer Wirtschaften schnürten, erreichten die Folgen der Corona-Pandemie gerade erst Afrika und Südamerika. Die Auswirkungen der Pandemie sind gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern verheerend.
Der Zusammenbruch globaler Wertschöpfungs- und Handelsketten droht diese Staaten um Jahrzehnte zurückzuwerfen. Hunger, Armut und Perspektivlosigkeit nehmen zu und der Kampf gegen die Folgen des Klimawandels rückt vom Zentrum in den Hintergrund: Laut Weltbank drohen allein durch Dürren und Hungersnöte bis 2030 100 Millionen Menschen mehr in extremer Armut zu leben als heute.
Das Erreichen der Pariser Klimaziele ist kein Selbstzweck: Es dient dazu, unsere Lebensgrundlage zu sichern und nachfolgenden Generationen einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen. Gleichzeitig zeigen alle Prognosen: Wenn wir die Klimaziele nicht erreichen, werden wir kaum etwas zur nachhaltigen Entwicklung beitragen können. Alle Maßnahmen zu Bildung, Gesundheitsförderung, nachhaltigem Wirtschaften und zur Schaffung von Lebenschancen in Entwicklungsländern werden nichts nützen, wenn wir die Folgen des Klimawandels nicht eindämmen und damit Überlebenschancen sichern.
Europa hat nicht nur sein eigenes Schicksal in der Hand. Als gemeinschaftlich größter Geber von Entwicklungsmitteln haben die EU und ihre Mitgliedstaaten enormes Gewicht. Trotzdem sprechen sie gerade in der Entwicklungspolitik kaum mit einer gemeinsamen Stimme.
Die gegenwärtige Infrastruktur zur kreditfinanzierten Entwicklungszusammenarbeit besteht aus 19 nationalen Entwicklungsbanken, vier bilateralen Banken unterschiedlicher Größe, der global agierenden, in den EU-Verträgen verankerten Europäischen Investitionsbank sowie mit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung einer regionalen Entwicklungsbank, die vorrangig in Osteuropa agiert.
Dies führt dazu, dass die europäische Entwicklungspolitik häufig einem unübersichtlichen Flickenteppich gleicht. Das geht auf Kosten der Effizienz, Sichtbarkeit und Soft Power. Es braucht daher einen echten Strukturwandel in der europäischen Entwicklungspolitik. Das beinhaltet nicht nur mehr Effizienz, sondern auch eine deutlich stärkere Mobilisierung von privatem Kapital zur Finanzierung der beiden globalen Zukunftsaufgaben: der Pariser Klimaziele und der globalen Nachhaltigkeitsziele.
Schon seit Jahren steht als Ausweg hierfür die Gründung einer EU-Entwicklungsbank im Raum. Während auf EU-Ebene der künftige mehrjährige Finanzrahmen diskutiert wird, ist es jetzt an der Zeit, dass die Mitgliedstaaten den Überlegungen endlich Taten folgen lassen. Bundesentwicklungsminister Müller hat die Zeichen der Zeit erkannt: Wann, wenn nicht jetzt soll die europäische Entwicklungsfinanzierung endlich durch eine europäische Entwicklungsbank verstärkt werden? Wir brauchen gerade jetzt den Mut aus den Hauptstädten Europas für solch eine klare Position.
Durch die Einrichtung einer echten EU-Entwicklungsbank, unter dem Dach der EIB, kann effizient und kostengünstig auf vorhandene Strukturen zurückgegriffen und mehr privates Kapital mobilisiert werden. Europa könnte anderen Akteuren wie China und den USA somit nicht nur wieder auf Augenhöhe begegnen, sondern auch verhindern, dass die Pariser Klimaziele und die globalen Nachhaltigkeitsziele in den Hintergrund der globalen Agenda rücken. Jetzt sind die Mitgliedstaaten am Zug, die Pläne auch umzusetzen.
Olaf in der Beek (l.) ist Bundestagsabgeordneter der FDP und Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Werner Hoyer (FDP) ist Präsident der Europäischen Investitionsbank. Dieser Gastbeitrag erschien am 23.09.2020 in der WELT. Am 26.11.2020 wurde der entsprechende Antrag der FDP-Fraktion im Plenum des Deutschen Bundestages debattiert.